Samstag, 25. Juni 2011

Mediales Gekicker! Oder Gekicher?

Es wird viel geschrieben und berichtet über Emanzipati-on, Sexualität und über Frauen, die sich zwar nicht auf ihr Äußeres reduzieren lassen wollen, es aber freimütig nut-zen, um mehr Aufmerksamkeit zu sichern. Dürfen sich deutsche Fußballspielerinnen, unter ihnen immerhin Re-servistinnen des Nationalkaders, mit blankem Busen oder ohne Höschen im Playboy ablichten lassen, weil sie hof-fen, auf diese Weise statt dreihundert fünfhundert Men-schen, darunter mehr Männer als gewöhnlich, an den Spielfeldrand zu locken? Ginge es um flotte Fechterin-nen, die nichts als ihren Säbel tragen, oder delikate Dres-surreiterinnen, deretwegen die Herren der Schöpfung gerne zum Pferd würden oder auch die Rollen von Ross und Reiter wechselten, die Öffentlichkeit könnte vor sich hin schmunzeln oder etwas mehr, entsprechende Heft-chen mit aufs Klo nehmen und sich am Wochenende zum Turnier begeben, wo Körperproportionen unter prächti-gen Uniformen und Trainingsanzügen versteckt sind. Al-lein der Fußball ist so sehr Domäne des Testosterons, welches das Treiben auf und abseits des Rasens beherr-scht, dass jetzt jeder bemerken darf, was er möchte. Linke Blätter oder Alice Schwarzer werden sich am Selbstbe-wusstsein der Damen ergötzen, die inzwischen nicht mehr davor zurückschrecken, beim Torjubel Details ihres Sport-BHs zu präsentieren, wohingegen kritische Stim-men gern Öl ins Feuer der ohnehin Kritischen gießen. Mario Basler kann deshalb alle verbleibenden Machos des Landes im größten Boulevardblatt Mitteleuropas beruhi-gen: „Meine Vorfreude auf morgen ist riesig – endlich Golf spielen! Ich bin ehrlich: Fußball ist nichts für Frau-en. Wenn Mädels auf dem Rasen rumtoben wollen, sollen sie ein Netz aufstellen und Tennis spielen. So wie in Wimbledon. Das ist sexy! Aber Frauen-Fußball? Morgen beginnt also die WM. Die der Frauen. Eine bittere Pille! Aber wir haben Grillfleisch und Bier, die Arbeit habt Ihr.“

Und es ist Sommer!

Bald heißt es wieder allerorten: Sommerpause. Wenn Freibäder sich besonderer Beliebtheit erfreuen, ruhen nicht nur die Bademeister in überdachten Schwimm-hallen, sondern zum Beispiel auch der politische Betrieb. Kaum ein Jahr, in dem es Spitzenbeamten und -diplo-maten sehnlicher zu wünschen wäre, effektiv vom Alltag Abstand zu nehmen, als in dieser Saison. Weihnachten und die damit verbundenen Feiertage sind nicht mehr als ein spontanes Intermezzo des Winters, der ohnehin recht gemächlich verläuft. Nachdem aber das Frühlingserwa-chen und die Stürme der ersten heißen Tage ihren Tribut gefordert haben, tut die professionelle Distanz zum ei-genen Wirken gut. Die Politikbranche hatte mit den Dis-sertationsskandalen der Damen und Herren von Gutten-berg bis Koch-Mehrin zu kämpfen, die Regierung ver-ordnete eine radikale Kursänderung in der Energiepolitik, das ständig schwarze Baden-Württemberg ist so grün wie der Rest der Republik, die Linke spielt keine Rolle mehr, die CDU sucht ihre Identität, SPD und FDP jeweils ihre Wähler. Großbritannien hat ein zweites Thronfolgepaar; Kate, die Jüngere der beiden Middleton-Schwestern, be-flügelt die Auflage der Boulevardblätter, seit sie bei der Trauung von Catherine ihre peripheren Körperrundun-gen galant, aber züchtig in Szene setzte und Milliarden Männer phantasieren ließ. Jörg Kachelmann ist nicht schuldig, nicht unschuldig, immerhin frei. Resümee unse-rer Sammlung ohne Anspruch auf repräsentative Voll-ständigkeit: Es ist einiges Nennenswertes geschehen, das verarbeitet sein will. Wir raten vor allem den Deutschen daher zur Sommerfrische in Griechenland, wo sie voraus-sichtlich freundlicher denn je empfangen werden. Allein die Nähe des hellenischen Oppositionsführers ist zu mei-den, wenn keine größere Streitigkeit vom Zaun gebro-chen werden soll. Falls Sie dem Herrn von der konser-vativen Partei Nea Demokratia also am Strand begegnen sollten, legen Sie Ihr Handtuch etwas weiter weg und riskieren Sie eher den Streit mit volltrunkenen Russen, als dass Sie dem Mann in die Quere kommen, der sich nicht einmal von einem erfolgreichen niederländischen Populisten, einem starrsinnigen bayerischen Ministerprä-sidenten und einem querschnittsgelähmten Berliner Fi-nanzminister beeinflussen lässt. Es sei denn, sie ertragen gleichmütig wie jedes neue Rettungspaket, wenn werter Herr plötzlich beginnt, mit Souflaki um sich zu werfen, weil die Bild blau auf weiß titelt: Was Costas?